Laufbericht

Ein langer Weg geht zu Ende

Emotionen frei beim Zieleinlauf. (Foto: siol.net)
Emotionen frei beim Zieleinlauf. (Foto: siol.net)

Geschrieben habe ich diesen längeren Bericht am Mittwoch 12.04., drei Tage nach dem Event. Erschienen ursprünglich auf www.baselrunningclub.ch.

Ein aufwühlendes Wochenende ist zu Ende gegangen. Manchmal kommen die Dinge so wie man es sich wünscht, oft kommt es ganz anders. Es ist ein Auf und Ab. Entscheidend ist, wie man damit umgeht.
Genau so erging es mir an diesem Wochenende. Eine lange Vorbereitung neigte sich dem Ende zu. Gewiss, viele Dinge lassen sich steuern. Und dennoch, wollte ich es einfach auf mich zukommen lassen.
Den Moment geniessen! Die Augenblicke aufnehmen und speichern. Denn Erinnerungen schreiben die Geschichten, von heute - und morgen.
Erfahrungen, die einem niemand mehr nehmen kann. Auf denen man weiter aufbauen kann, mit dem Ziel, niemals stehen zu bleiben.
Die Bedingungen ändern sich ständig. Die eigenen Bedürfnisse und Wünsche auch.
Wir entwickeln uns weiter...
Wie hiess es gleich auf einem Shirt: Solange du nicht stehen bleibst, kommst du immer ins Ziel - auch im übertragenen Sinne.
Man kann nicht alles haben, aber vieles ist möglich. Mit etwas Zeit, Geduld und Hingabe.

Vor genau einem Jahr stand ich vor einem Scherbenhaufen. Ich war in Topform, die Zeiten purzelten nur so und dann das: Diagnose Schienbeinkantensyndrom eine Woche vor dem Hauptwettkampf,
auf den ich mich schon den ganzen Winter über gefreut habe. Das erste Mal überhaupt war ich verletzt. Und wenn es auch insgesamt nur drei Wochen Laufpause waren. Es war einschneidend.
Hauptursache war, dass ich nicht auf die Signale des Körpers gehört habe, sondern stur dem Trainingsplan gefolgt bin. Und nun stand ich also da, in Nizza, an der Promenade
und begutachte all die tausend Läuferinnen und Läufer. Zum Glück war ich nicht alleine da und konnte für ein paar Andere der Fan sein (u.a. Tony, Sandy und la Mama Irene),
meine 1:13 im Halbmarathon konnte ich mir aber schenken.
Dauraufhin folgte eine komplette Umstellung. Nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand, langsam, aber kontinuierlich steigern.
Das fängt schon bei den Kilomterumfängen an. Noch heute sind für mich Umfänge von über 100km pro Woche die Ausnahme, Bänder und Sehnen brauchen länger um sich anzupassen oder zu erholen.
Für das restliche Jahr, hatte ich mir keine Zeitziele gesetzt.
Ich wollte gesund bleiben und mich andersweitig weiterentwickeln.
Für Nizza aber, habe ich mir geschworen, komme ich nächstes Jahr zurück. Und zwar stärker als je zuvor: 1:11:xx habe ich mir dann danach Zuhause auf die nie getragene Startnummer notiert.
Aufgrund dieser Erfahrung, hatte ich keinen Hauptwettkampf mehr geplant, sondern pickte mir einzelne Highlights heraus:
Erster Bahnwettkampf in Nagelschuhen, erstmals Basler Bruggelauf, erstmals Greifenseelauf, Basel Marathonstafette mit dem BRC!
Ich wollte mein "Chassis" auf Vordermann bringen, nachdem der Motor schon so stark geworden war.
Auch das Thema Laufeffizienz und Prophylaxe interessierte mich plötzlich.
Motivationstraining kam dazu. Ich freute mich von Lauf zu Lauf, auf jedes einzelne Training und waren es auch nur lockere fünf Kilometer.
Vor allem, als es dann Ende Sommer darum ging, von meinem liebgewonnen Umfeld in Basel Abschied zu nehmen.
Die (Zeit)Fortschritte waren etwas kleiner, aber sie waren immer noch da. Und ja, geplante Laufpausen nach der Herbstsaison sind einfach besser!

Vieles kommt anders, als man denkt. Das war auch mit Nizza so.
Durch den Terroranschlag bedingt, änderten die Veranstalter das Rennen.
Man konnte sich lange nicht anmelden und zudem wurde vonseiten des Veranstalters schlecht kommuniziert.
Also suchte ich frühzeitig nach einer Alternative und meldete mich zusammen mit Irene Ende Januar am Istrischen Halbmarathon in Slowenien an.
Er ist ähnlich: Flach, an der Küste, auf der Strasse.
Der Unterschied: Insgesamt die etwas kleinere, weniger internationale Veranstaltung. Aber scheinbar top-organisiert und man konnte sich ausführlich informieren.
Schnell konnte ich mich dafür motivieren.
Der Trainingsplan stand schon seit Dezember. Er war unterteilt in vier einzelne Phasen, bei denen ich mir notiert habe, worauf ich dort jeweils den Hauptfokus lege und welches die Key Workouts sind.
Details habe ich keine eingebaut, ausser die geplanten Wettkämpfe.
Eine Sicherheitsmassnahme, um jeweils jede Woche ausgehend vom Grobplan und je nach Situation und Leistungsstand zu entscheiden.
Angefangen habe ich mit drei Laufrainings pro Woche und schliesslich mit sechs bis maximal sieben Lauftrainings aufgehört.
Der Start, war aber wiederum harzig. Anfangs Januar, einer Zeit mit schlechten Witterungsbedingungen und viel Schnee hatte ich plötzlich Probleme mit dem IT-Band.
Während dem Laufen schmerzte das rechte Knie beim Beugen.
Diesmal habe ich jedoch frühzeitig auf die Signale des Körpers gehört. Pause, Behandlung und eine Eruierung möglicher Ursache haben schnell geholfen:
Zu viel im unebenen Schnee unterwegs - wurde vermieden, ungenügende Stabilität im Becken- anfangs tägliche Übungen zur Kräftigung des Gluteus medius.
Nach dem langsamen Wiedereinstieg war alles wieder paletti. Noch heute mache ich einmal pro Woche dieses Set an Übungen.

Um eine neue Bestzeit zu Laufen braucht es immer Bestätigung.
Entweder man geht unbeschwert an den Start, hat Glück und es passiert einfach.
Oder noch besser, man weiss durch die Trainings, es ist möglich und erläuft sich diese Zielzeit einfach.
Im Gepäck nach Slowenien hatte ich viele dieser Highlights als Motivation dabei.
Das wären:
A) Leimentaler Lauf: An ihn muss ich denken, wenn es gilt die einzige Steigung zu bezwingen.
B) Trainingslager Mallorca mit dem BRC: An diesen Flow muss ich denken wenn es auf die endlose Küstenstrasse geht.
C) Der letzte Test in Colombier und gute Trainings: An ihn/sie  muss ich denken, wenn es gilt die Tempohärte durchzuhalten. Es ist möglich!

Die Woche vorher hatte ich nochmals genügend Zeit um mir auszumalen, was denn alles passieren könnte.
Wie kann es ausgehen? Vom Schlimmsten bis zum besten Fall:
A) Kein Start möglich.
Das Schlimmste überhaupt, bleibe ich zuhause? Schaue ich zu und ärgere mich nochmals?
B) Start aber kein Finish, z.B. falsch abbiegen Richtung Marathonstrecke (passierte mir mal beim Blauen Berglauf)
Dazu habe ich mir die Strecke zu gut eingeprägt, schlimmstenfalls laufe ich auch den Marathon!
C) Start und Finish, aber wegen z.B. Krankheit nur sehr gemütlich
Daran denke ich nicht, auch wenn im vollen ÖV gerade die halbe Menschheit am Husten ist, positiv bleiben!
D) Knapp keine neue Bestzeit.
Es gibt Schlimmeres, siehe A), B), C) und noch genügend Möglichkeiten dazu.
E) Neue Bestzeit, aber über 1:12.
Es sind die kleinen Schritte, die zählen, wie Christian Kreihenbühl einst in seinem Blog beschrieb.
F) Hauptziel erreicht, neue Bestzeit unter 1:12
Dann wird richtig gefeiert!
G) Sogar noch besser, z.B. 1:10!
Das wäre ein Traum!
H) Etwas Unvorstellbares, z.B. unter 1:10.
Man sollte nicht überheblich werden und realistisch bleiben.

Alles mehr als F) wäre ein Goodie, dazu würde auch ein Podestplatz zählen.
Natürlich können immer äussere Faktoren, wie beispielsweise sehr schlechte Wetterbedingungen hineinspielen.
Hauptsache: Man hat alles gegeben!
Wichtig ist: Sich nicht ablenken lassen. Durch schlechte Gedanken während dem Lauf. Durch andere Läufer oder Gedankenspiele.
Fokussiert bleiben und alle Energien nutzen wo sie hingehören: In die Beine auf den Asphalt.
Rennstrategie:
Ich möchte konstant Laufen. Das heisst ohne Einbruch am Schluss, oder plötzlicher Beschleunigung gegen Schluss.
Beim letzten Kilometer nochmals die letzten Reserven herausholen, vielleicht ist das dann der entscheidende und wichtigste Kilometer im Kampf gegen die Uhr.

Am Renntag war es dann soweit. Mehr oder weniger konnte ich alles umsetzen, was geplant war.
Im Gegensatz zu zwei meiner Mitstreitern liess ich mich nicht auf Spielchen ein, denn die wollten wahrscheinlich nur um den Tagessieg laufen.
Wenn man sich doch so intensiv vorbereitet hat, möchte man sich nicht beirren lassen.
Im ersten Moment war es ärgerlich, aber ich besinnte mich auf mein Ziel und liess sie gewähren.
Dass ich nachher nach zwölf Kilometern, nach der Überquerung der einzigen Steigung, sogar einsam an der Spitze lag, kam überraschend.
Die beiden Vorfahrer auf dem Motorrad hatte ich nun fest im Blick, kein Blick zurück, und sie machten ihren Job herrvorragend!
Die Uhr war schon lange nur noch zum Anhängsel verkümmert, aber ich spürte, das ich noch drinnlag in der Zeit.
Die nassen Schwämme alle vier Kilometer waren jetzt sogar obligatorisch zur Kühlung.
Gegen Schluss wurde es nochmals hart, leichtes Seitenstechen kam dazu, aber die letzten Meter konnte ich dann geniessen.
Das war auch bitter nötig, denn bis zur Ankunft von Irene musste ich noch einige Interviews geben, die Arbeit oder Pflicht an diesem Tag fing anscheinend erst an.
Aber danach, konnten wir nochmals die Atmosphäre an diesem wunderschönen Tag für uns haben.
Auch für mich speziell, denn es war mein erster richtiger Sieg überhaupt.
Und wer weiss, wenn es so weiter geht, sehe ich mich bald wieder auf der Marathonstrecke!
Zürich Marathon nächstes Jahr, Luki? Serena und Co. haben uns gezeigt wie es geht!

Write a comment

Comments: 0